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AutorenbildAnne Paulsen

Social- vs extended Family Network


Facebook, Whatsapp, Twitter, Instagram, Snapchat ... ... soziale Netzwerke haben längst unsere Welt erobert und nahezu jeder Smartphone Besitzer nutzt mindestens eine dieser Plattformen. Facebook ist am erfolgreichsten unter den Socialnetwork- Riesen und verändert inzwischen auch auf Kiribati immer mehr das Leben der Menschen.

Social Networking gibt uns das Gefühl immer verbunden zu sein. Obwohl ich mich von Deutschland aus gerade am anderen Ende der Welt befinde, kann ich mit meinen Freunden chatten, Videos und Fotos teilen, mit meiner Familie skypen oder mir die aktuellen Nachrichten ansehen und durch die Funktion „Kommentieren“ sogar daran teilhaben und diskutieren. Obwohl ich weit weg bin muss ich nicht verpassen, was gerade in meiner Heimat geschieht. Die typische Fingerbewegung, die verrät welcher Smartphonebesitzer womöglich gerade seine Facebookapp geöffnet hat, ist das Nachobenwischen mit dem Daumen. Im Schnelldurchlauf wird so die Startseite gescannt. Dabei durchlaufen das Gehirn die meisten Informationen blitzschnell und nur selten wird etwas davon intensiv wahrgenommen. Oft scheint es mehr ein Zeitvertreib zu sein als wirkliches Interesse. Trotz dieser dauerhaft grenzenlosen Verbindung kennen wir alle das Gefühl von Einsamkeit. Das Bild von nach unten geneigten Köpfen, die Augen auf einen kleinen leuchtenden Bildschirm fixiert, scheint für mich in Deutschland inzwischen erschreckend normal. Vielleicht, weil ich selbst oft in die selbe Richtung starre, anstatt mich in der echten Welt umzusehen oder mich zu unterhalten. Irgendwie bin ich doch oft nur so halb anwesend.

Schaffen soziale Netzwerke neben grenzenloser Verbindung nicht also auch immer mehr Einsamkeit oder vielleicht gerade aufgrund dieser Grenzenlosigkeit? Ist Einsamkeit zuletzt nicht eine Erfindung sozialer Medien? Wo sind Menschen einsam? - Auf einer einsamen Insel wie Kiribati, oder auf dem Weg zur Arbeit in der Deutschen Bahn, unterwegs im weltweiten Netz? Kiribati ist weit abgeschottet von anderen Ländern, es gibt oft keinen Strom, kein fließend Wasser und man hat nichts als den riesigen Ozean um sich herum. Trotzdem behaupte ich, dass die Menschen hier viel weniger einsam sind als in meiner Heimat. Warum gerade hier?

Zur kiribatischen Kultur gehört das Leben in einer Großfamilie. Man lebt zusammen mit seinen Eltern, Geschwistern, Großeltern und Freunden, die in die Familie mit aufgenommen oder sogar adoptiert wurden. Während man in Deutschland, im Erwachsenenalter auszieht und seine eigene Familie gründet, wird eine Familie in Kiribati nach einer Hochzeit einfach ein Stückchen größer. Jeder Erwachsene steht in der Verantwortung, sich um das Wohlergehen der Eltern zu kümmern, schließlich wurde man von ihnen groß gezogen. Als Einheimischer ist man auf der Insel immer umgeben von Familie und Freunden. Alles läuft über Beziehungen und irgendwie sind alle eine große Familie. Auch ich bin dort nicht länger fremd und werde von meinen kiribatischen Schwestern „Tariu“ (meine Schwester) und genannt und in ihre Familien aufgenommen.

Wichtig für unser soziales Empfinden, ist die Anzahl von Beziehungen, die man führt. Sein soziales Umfeld bildet im Durchschnitt eine Gruppe von 100 Menschen, mit denen wir Kontakt halten. Meine 600 Facebook-Freunde gehen also deutlich über diese Zahl hinaus. Ich bin eigentlich gar nicht in der Lage so viele Menschen auf einmal zu kennen und trotzdem verfolge ich täglich deren Beiträge. Auf Kiribati sind die sozialen Gruppen sehr klein, man bewegt sich nicht weit außerhalb seines gewohnten Umfeldes. Hier bildet jedes Dorf eine kleine eng verbundene Gemeinde. Das beste Beispiel für so eine Gemeinschaft, ist das Zusammenleben der KUC (Kiribati Uniting Church). Dort wohnte ich ein jähr lang auf dem KUC Headquaters Compound. Das ist eine Art Gemeinschaftsgelände mit insgesamt 17 Familienhäusern, einem Office, dem Jugendzentrum, einem Frauenzentrum und natürlich einer großen Maneaba (Versammlungshaus) als Mittelpunkt der Gemeinde. Zusammen wird dafür gesorgt, dass das Gelände stets sauber ist und alle genug Regenwasser sowie Strom bekommen. Mit dem Verkauf im kleinen Store des Compounds, wechseln sich die einzelnen Familien ab. Wenn Gäste da sind, die verpflegt werden müssen, geht es mit dem Kochen ebenfalls reihum, so dass jeder einmal mithilft. Gemeinsam werden Feste gefeiert und täglich Andachten und Gottesdienste gehalten. Für viele Mitglieder spielt sich ein großer Teil ihres Lebens auf diesem Gelände ab. Jeder ist hier sicher, stets versorg und kennt sich aus an seinem Platz.

Natürlich hat inzwischen auch Kiribati die faszinierende Onlinewelt entdeckt und erweitert sein Familiennetz mit dem digitalen Netz. Dabei spielt Facebook eine große Rolle. Vor allem für die junge Generation ist die Onlineplattform der Ort geworden, um sich mitzuteilen, mit seinen Freunden zu chatten und vor allem ganz viele Bilder und Videos hochzuladen.

Die Kommunikation innerhalb der Insel verändert sich. Freunde und Familie können nun viel schneller ausfindig gemacht werden. Darüber hinaus findet nun auch ein Austausch außerhalb Kiribatis statt und das verändert das Land noch viel mehr. Schließlich wird nicht nur gepostet, sondern auch selbst mit dem Daumen fleißig nach oben gewischt. Plötzlich haben alle ein Bild davon, wie es in anderen Teilen der Welt aussieht und was dort gerade angesagt oder im Trend ist. Sie entdecken den Unterschied zu ihrem Land im Vergleich zu anderen. Mir fällt auf, wie Jugendliche sich immer mehr an diese Bilder anpassen, indem sie Mode - oder Musiktrends übernehmen. Dass sie sich dabei teilweise von eigenen traditionellen Werten immer mehr entfernen, bedeutet in kleinen Schritten auch eine Veränderung der Kultur. Kiribatische Mädchen, die in einem religiösen Kontext aufgewachsen sind, scheinen zum Teil immer mehr eine Art Doppelleben zu führen. In der realen Welt entsprechen sie ganz den Vorstellungen ihrer Eltern, tragen ihr Lavalava und befolgen scheinbar alle Regeln. In der digitalen Welt geben sie sich oft ganz anders. Bilder in kurzen Röcken oder sogar Schnappschüsse auf denen sie in einem Nightclub mit einem Bier in der Hand zu sehen sind, wären für viele Eltern eine Schande, wenn sie diese entdeckten. Immer mehr frage ich mich, wie lange dieser Unterschied zwischen digitaler und realer Welt noch bestehen bleibt oder, ob beides schon bald ineinander übergehen wird. Grade im Bezug auf das Frauenbild ist es sehr spannend, was in Kiribati zukünftig passiert. Dass diesbezüglich ein Wandel stattfinden wird, ist für mich offensichtlich. Ob Soziale Netzwerke nun ein Fortschritt oder ein Rückschritt sind, lässt sich also nicht so einfach beantworten. Für mich selbst stelle ich fest, dass es für unser Sozialverhalten, oft eher einen Rückschritt bedeutet. Anstatt Verbindung schafft es doch oft eher Entfernung von der realen Welt und sorgt für mehr Einsamkeit als echte Beziehungen. In dieser Hinsicht ist die Einführung von Social Media also sehr negativ behaftet, obwohl es das traditionelle kiribatische Großfamiliennetzwerk nicht stark beeinflussen wird. Das wird sicher immer ein Teil der Tradition bleiben. Andererseits sind die großen Onlineforen, auf denen sich Länderübergreifend ausgetauscht wird ein Fortschritt. Beim ThemaFrauenbild oder Bildung, ist dieser Austausch eine große Chance. Aufgrund der Tatsache, dass Kiribati in nicht allzu langer Zeit durch den ansteigenden Meeresspiegel, seine Landflächen verlieren wird, müssen sich die Menschen an ganz neue Dinge anpassen und können eben jetzt schon diesen Austausch gut gebrauchen. Für Kiribati als verwundbares Land gegenüber dem Klimawandel, in dem die Menschen früher oderspäter auf andere Länder ausweichen müssen, ist das Internet meiner Meinung nach also lebensnotwendig, um später einmal Einsamkeit zu vermeiden. Andererseits können wir von diesem Land lernen, dass es manchmal besser ist, sich mit weniger, bzw. den grundlegenden Dingen und den wichtigsten Menschen, zu umgeben, um sich weniger einsam zu fühlen. Anstatt nach immer mehr zu streben und sich in einem Netzwerk zu verlieren, das zuletzt doch keine reale Verbindung schafft.


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