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AutorenbildAnne Paulsen

Die vier Damen und der magische Ring

Ich möchte euch gerne vier alte Damen vorstellen. Sie lebten einst auf der wunderschönen Insel Marakei. Vor vielen vielen Jahren sind sie gestorben, doch durch vier Statuen wird auf Marakei bis heute an sie gedacht. Ihre Geister herrschen noch immer über die Insel und ihre Bewohner.

Reei nennt sich die erste Dame. Sie ist die schönste der vier Frauen. Die zweite unter ihnen ist stets außerordentlich hungrig und heißt Rotebenua. Tangangau, die Nummer 3, ist schwer bewaffnet mit Muscheln, die sie zu spitzen Messern gefeilt hat. Ganz im Gegenteil zu Nantekimans, sie wird „die Friedliche“ genannt.

All das wusste ich aber noch nicht, als ich mit der kleinen Propellermaschine von der Hauptstadtinsel Tarawa nach Marakei flog. Über den Ausblick durch das winzige Flugzeugfenster staunte ich nicht schlecht, als wir über das mir noch unbekannte Atoll flogen. Die Insel ist ein Ring, umgeben vom dunklen Ozean und in dessen Mitte schimmert eine hellblaue Lagune.

Ein Ring, so klein, dass man beim Anflug befürchten muss im Wasser zu landen. Doch im allerletzten Moment sah ich die Landebahn, die wie auf den meisten Gilbert-inseln ein holpriges Sand-Feld war. Auf Marakei ist es für Neuankömmlinge Tradition, eine Rundtour einmal um die Insel zu machen, um die vier Damen zu begrüßen und ihnen Gastgeschenke zu bereiten. Fortbewegungsmittel für meine Rundtour war ein Motorrad. Außer einem großen Truck, etwa 8 Motorrädern und ein paar Fahrrädern gab es auf Marakei keine Fahrzeuge. Mein Gastgeber war der Pastor des Dorfes, in dem ich übernachtete. Er übernahm die Fahrt und ich durfte mich bequem auf den Rücksitz des Motorrads setzen. Währenddessen erzählte er mir mehr über die Geschichte der vier Inselgeister. Bevor hier die Missionierung stattgefunden hat, waren die Frauen der einzige Glaube, den die Einheimischen hatten. Mit ihren unterschiedlichen Eigenschaften konnten sie nur vereint die Insel beschützen und böse Geister fernhalten. Symbolisch erinnern nun die Statuen, welche in gleichmäßigen Abständen auf der Ringinsel ihren Platz haben, an die vier Damen. Marakei wird deshalb auch heute noch als Insel der Frauen bezeichnet. 

Um den Damen meinen Respekt und meine Dankbarkeit zu zeigen, legte ich an jeder Statue eine Packung irischen Tabak ab. Die Steinfiguren hatten schon ein dafür vorgesehenes Fach, in das ich meine Geschenke hineinlegte. Die Rundtour dauerte mit allen vier Stopps und einigen Pausen bei Einheimischen, die uns zum Tee oder einer Kokosnuss einluden, in etwa 4 Stunden. 

Unser Erfolg, die Inseldamen mir gegenüber friedlich zu stimmen, zeigte sich spätestens bei unserer Krebsjagd in den Mangroven. Unsere Eimer waren so voll von den Süßwasserkrebsen, dass wir aufpassen mussten, dass sie uns nicht wieder davonkrabbelten. Mit dem Spaten gruben wir zuerst die Löcher frei, in denen sich die Zangentiere versteckten, um sie dann besser mit der Hand packen zu können. Später wurde die eine Hälfte direkt gekocht und zum Abendessen verspeist. Einen weiteren vollen Eimer sollte ich für meine Freunde zurück mit nach Tarawa nehmen. Ein weiteres Erlebnis, für das ich den Inselgeistern dankte, war eine Bootsfahrt mit der Familie des Pastors durch die Blaue Lagune. An dem Tag war diese so klar, dass man vom Boot aus problemlos bis auf den Boden schauen konnte, solang das Wasser noch flach genug war. Es war wie ein Tauchgang durch die Unterwasserwelt, nur dass man keine Taucherbrille brauchte und dabei trocken im Boot saß. Natürlich ließ ich mir aber die Chance nicht entgehen, in das glasklare Wasser selbst einzutauchen und mit den Kindern des Pastors nach den schönsten Muscheln zu tauchen.

Am Ende meiner drei Tage auf Marakei, war ich mir sicher, dass die positive Energie der vier Frauen auf mich gewirkt haben musste: Reei, die pure Schönheit hatte mich schon vom Flugzeug aus staunen lassen. Nantekimansmachte das Wasser in der Lagune um mich herum so klar und friedlich. Tangangau, beschütze mich von der Landung bis zum Ende meiner Reise und Rotebenuahätte mich auf keinen Fall verhungern lassen und meinte es mit unserem Krebsfang sehr gut.




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