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AutorenbildAnne Paulsen

Work like a Lady

Über die Arbeit einer Krankenschwester in einem abgelegenen Dorf Papua-Neuguineas


In diesem Blog-Post möchte ich von einer echten Powerfrau berichten, die Tag und Nacht arbeitet, um Menschenleben zu retten. Nebenbei stellt sie die konservativen Geschlechterrollen ihres Landes auf den Kopf. Ihr Name ist Raquel. Sie ist Krankenschwester in einem extrem abgeschiedenen Dorf Papua-Neuguineas, das hinter Dschungel und Highlands verborgen liegt.

Krankenschwester Raquel und Bewohner*innen Wakos

Das kleine entlegene Dorf heißt Wako und hat etwa 1.000 Einwohner*innen. Es liegt an der Südküste der Insel Neubritannien und ist von der nördlichen Provinzhauptstadt Kimbe nur mit dem Helikopter zu erreichen. Optional ist auch eine mehrtägige Bootsfahrt, oder eine wochenlange Wanderung durch den Dschungel möglich. Es gibt weder Telefonempfang, noch ein funktionierendes Funkgerät. Es gibt genau eine Krankenstation, in der Raquel oft völlig auf sich allein gestellt, die Bewohner*innen Wakos und 6 angeschlossenen Dörfern medizinisch versorgt. Das gesamte Gebiet umfasst etwa 8000 Menschen. Zu Raquels häufigsten Patient*innen gehören unterernährte Kinder, schwangere Frauen, sowie Menschen mit Tuberkulose und Malaria. Die Krankenschwester leistet gewissermaßen die Arbeit einer Ärztin. Allerdings fehlen ihr dabei wichtiges medizinisches Werkzeug, sowie Hygienemittel und viele Medikamente. Der Rettungswagen der Dorfklinik ist ein altes Fischerboot. Aber wie sieht eine Rettungsaktion in so einem abgelegenen Ort aus? Wie bewältigt Raquel ihre Arbeit unter der Bedingung extremer Abgeschiedenheit? Ich habe Raquel zwei Tage lang bei ihrer Arbeit begleitet.


Das sogenannte "Community Health Post" in Wako wurde vor knapp zwei Jahren von einem privaten Investor gebaut. Papua-Neuguineas Krankenhäuser und Kliniken organisieren sich in einem komplizierten hierarchischen System.

Die rangmäßige Zuordnung eines Gesundheitszentrums ist abhängig von Faktoren wie dessen Größe, der Anzahl von Angestellten, oder auch dessen Standort. Ein Community Health Post steht relativ weit unten in dieser Rangfolge, oberste Position hat das Krankenhaus. Der hellgelbe Gebäudekomplex sticht neben den traditionellen Holzhütten-Bauten Wakos hervor und ist durch einen hohen Drahtzaun vom Rest des Dorfes abgetrennt.


Der Health Post ist hochmodern und verfügt über mehr Patientenbetten, Lagerraum und Behandlungszimmer, als jemals gebraucht werden. Mit nur einer Hebamme, einer Krankenschwester und einer Putzfrau als Angestellte, sind die Kapazitäten des Health Centers begrenzt, sodass die vielen Räumlichkeiten gar nicht genutzt werden können. Die Häuser der Angestellten sind im selben Container-Stil gebaut wie das Hauptgebäude und sind Teil des eigezäunten Klinik-Geländes.


Raquel arbeitet und lebt seit dem Aufbau des Zentrums hier und verlässt sozusagen niemals ihren Arbeitsplatz. Mit der Ausbildung zur Krankenpflegerin entschied sich Raquel vor 25 Jahren nicht nur für einen Beruf, sondern für einen Lebensstil. Seit Abschluss ihrer Ausbildung reist sie quer durch West New Britain, um dort zu helfen, wo sie gerade dringend gebraucht wird. Viele Krankenschwestern in Papua Neuguinea führen so ein Leben,- zumindest für eine gewisse Zeit. Meistens sind sie für etwa ein bis drei Jahre an einem Ort, bevor der nächste Auftrag kommt. Besonders in abgelegenen Orten sorgen staatliche und private Arbeitgeber in Kliniken meistens für eine Unterkunft für die ganze Familie. Das soll die ländliche Arbeit für Krankenpfleger*innen attraktiv machen. Trotzdem zieht es die meisten jungen, gut ausgebildeten Menschen in die Stadt. Raquel ist heute 34 Jahr alt und hat eine Familie mit drei eigenen und einem adoptierten Kind. Sie alle folgen Raquel dorthin wo sie gerade arbeitet.

"My husband Works like a lady!"

Wie schafft sie es Beruf und Privatleben zu trennen? - "Gar nicht", antwortet Raquel sofort als ich ihr diese Frage stelle. Patient*innen würden ihr manchmal sogar bis in ihr Haus folgen und deshalb ist sie eigentlich Tag und Nacht in ihrer Rolle als Krankenschwester. Sie würde niemals ihre Arbeit beenden, bevor nicht alle versorgt sind. Es ist anstrengend. Aber sie liebt dieses Leben und es funktioniert weil ihre Familie sie dabei unterstützt. "My husband works like a Lady", sagt sie schmunzelnd. Er macht Hausaufgaben mit den Kindern, kocht, wäscht, pflegt den Garten und assistiert Raquel bei administrativen Aufgaben im Health Center. Ich war äußerst überrascht, als sie mir das erzählte. Denn in Papua Neuguinea herrscht ein striktes Rollenbild der Frau vor: Sie ist Mutter und Hauswirtschafterin. Ich habe in Papua-Neuguinea noch nie einen Mann getroffen, der solche Aufgaben in der Familie übernimmt. Einige Menschen in Wako waren zuerst empört als sie Raquels Mann bei seiner Arbeit in der Küche, oder beim lernen mit den Kindern gesehen haben. Aber heute hätten sie sich daran gewöhnt, meint Raquel. Sie respektieren ihr Familienleben. Schließlich hilft sie ihnen als Krankenschwester und dafür ist ihr die ganze Dorfgemeinschaft sichtlich dankbar.

Viele haben einen langen Weg bis zur Klinik. Pauline Kaso und ihre Kinder sind 3 Stunden zu Fuß gelaufen.

Fast jeden Abend bringen ihr Patient*innen frischen Fisch, Muscheln, oder Gemüse aus ihrem eigenen Anbau, als Dank für Raquels Arbeit. Diese hervorgebrachte Dankbarkeit der Menschen ist es, die Raquel am Dorfleben so sehr schätzt. Sie kennt ihre Patient*innen genau und weiß was sie brauchen. In der Stadt ist das Leben viel stressiger und laut, findet Raquel. Sie genießt es davon weit entfernt zu sein. Sie liebt die Einfachheit des Lebens in Wako. Dazu gehört zum Beispiel, dass man sich hier anstatt unter einer Dusche im See badet und sein Abendessen über dem offenen Feuer anstatt auf dem Herd zubereitet.


Doch im medizinischen Bereich bereitet ihr die Abgeschiedenheit von anderen Kliniken und Krankenhäusern große Schwierigkeiten. Häufig angewendete Medikamente wie Paracetamol sind oft nicht vorhanden. Manchmal werden dann ganz andere Arzneimittel verschrieben, welche die diagnostizierte Krankheit nicht behandeln. Oftmals verlangen Raquels Patient*innen ein Antibiotikum, obwohl es sie nicht heilen wird. Krankenpfleger*innen in ländlichen Gebieten fehlt auch die neuste Expertise erklärt Raquel. Sie fühlt sich von den höheren Kliniken und Instanzen des Gesundheitssystems oft allein gelassen. Wenn es einen Notfall gibt, ist die Abgeschiedenheit Wakos ein echtes Problem. In Wako passieren häufig Unfälle, wenn Einheimische vom Gebirge zum Fischen hinunter zum Strand klettern. Dabei müssen sie einen steilen Hang überwinden, an dem man bei Regen leicht abrutscht. Vor etwa 15 Jahren lagen Wako und viele andere Dörfer noch direkt am Strand. Doch durch den starken Meeresspiegelanstieg mussten die Dorfbewohner*innen in die Berge flüchten. Um einen Patienten in das fern liegende Krankenhaus in Kimbe zu evakuieren, muss also ein langer gefährlicher Weg beschritten werden. Nach der steilen Wanderung zum Strand ist der nächste Schritt eine dreistündige Bootsfahrt in den nächst größeren Ort Kandrian. Dort kann mit dem Satellitentelefon das Krankenhaus in der Hauptstadt Kimbe kontaktiert werden. Sobald das Krankenhaus bescheid weiß, muss ein Hubschrauber organisiert werden. Schwebt der Patient in Lebensgefahr, könnte hier natürlich schon alle Hilfe zu spät sein. Im Notfall hängt das Leben eines Patienten also im hohe Maße von der Krankenschwester ab.

"When your family isn't right, your work can't be right!"

Aufgrund dieser enormen Verantwortung möchten viele Krankenschwestern nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht in die ländlichen Gebiete von West New Britain, erklärt mir Raquel. Sie scheint all die Probleme jedoch irgendwie zu meistern, oder zumindest mit dem Leid persönlich klarzukommen. Raquel sagt, ohne den Rückhalt ihre Familie würde sie es nicht schaffen. Viele Krankenschwestern, die versuchen diesen Weg alleine zu gehen, treibe es deshalb bald zurück in die Stadt. Es sei schwer einen Mann zu finden, der sich entscheidet der Karriere der Frau nachzugehen, anstatt der eigenen. Leider werden viele Ehen in Papua-Neuguinea heute noch arrangiert. Gewalt gegen Frauen ist ein massives Problem. Obwohl sich die Regierung dazu bekannt hat, die Rechte von Frauen und Männern gleichzusetzen, werden Gewaltakte gegen Frauen immer noch mit dem sogenannten "custom-law" gerechtfertigt. Dies ist ein auf traditionellen Vorstellungen beruhendes Rechtssystem, das es nur speziell in PNG gibt. Raquel glaubt, dass das Rollenbild nur aufgebrochen werden kann, wenn Ehen nicht arrangiert werden, sondern Liebe und Respekt eine Beziehung ausmachen. Viele Menschen in Papua-Neuguinea würden nicht verstehen, dass eine Familie nur gut funktionieren kann, wenn alle als Team zusammenarbeiten sagt Raquel und dazu gehören Kinder, Frau und Mann.


“If your home isn’t proper, your work won’t be proper” ist das Geheimnis ihrer erfolgreichen Karriere und die ist noch lange nicht vorbei. Als nächstes möchte Raquel erstmals ohne Familie in die Hauptstadt Port Moresby, um sich dort an der Universität im Bereich Gesundheitsmanagement weiterzubilden.

Neubritannien liegt zwischen der Hauptinsel Papua-Neuguineas und der Insel New Ireland
Neubritannien liegt zwischen der Hauptinsel Papua-Neuguineas und der Insel New Ireland
Zwischen Nord- und Südküste es kaum Verbindungsstraßen, die befahrbar sind. Dazwischen liegen die High Lands.

Wako - hier sieht man wie ein Teil des Dorfes in die Berge verlagert wurde. Früher lag auch die Klinik direkt am Strand.

Raquel im Rettungsboot des Wako Health Centers




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